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1. Preis

Verfasser

Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin

Mitarbeiter/in der Verfasser/in:
Jonas Houba, Thomas Werner, Jan Kozak, Tereza Melkova, Elisa Schieseck, Richard Sukac, Martin Tikvic

Sonderfachleute:

GSE Ingenieur-Gesellschaft mbH, Berlin (Brandschutz und Statik)
Alhäuser + König Ingenieurbüro GmbH, Hachenburg (Haustechnik und Nachhaltigkeit)
Vogt Landschaft GmbH, Berlin (Landschaftsarchitektur)

   

Leitidee des Verfassers

„Wenn der neue Campus der Deutschen Bundesbank mehr sein soll, als eine Ansammlung unterschiedlicher Gebäude, müssen die alten und neuen, aus unterschiedlichen Epochen stammenden Bauten, einem gemeinsamen städtebaulichen und architektonischen Leitbild folgen. Dieses Leitbild ist durch die Bestandsbauten, vor allem durch die markante Hochhausscheibe des Haupthauses, bereits vorgegeben. Dabei geht es nicht nur um Maßstäblichkeit und Ausdruck, sondern auch um Sinnstiftung. Das Haupthaus ist nicht nur ein bedeutendes Bauwerk der siebziger Jahre, sondern auch - wie die Wettbewerbsausschreibung betont, das: „Sinnbild für die Stabilitätskultur der Deutschen Bundesbank und des westlichen Nachkriegsdeutschlands.“

Die vorgegebene Masterplanung versucht der strukturellen Logik und dem stadträumlichen Grundprinzip des bestehenden Campus zu folgen und diesen fortzuführen. Wir haben in unserem Wettbewerbsbeitrag, den Kontinuitätsgedanken in der architektonischen Konzeption einzelner Neubauten aufgegriffen, die Masterplanung neu interpretiert und weiterentwickelt. Kontinuität zu betonen, scheint uns umso wichtiger zu sein, als dass die Institution der Bundesbank für Stabilität und Kontinuität in der Entscheidungsfindung über lange Zeiträume steht.“

Auszug aus der Beurteilung des Preisgerichts

Die Verfasser möchten auf Grundlage der vorgegebenen Masterplanung und in Anlehnung an die architektonische Haltung des historischen Haupthauses ein städtebaulich und architektonisch integriertes „Leitbild“ herausarbeiten, das den Wertekanon der Bundesbank aufgreifen und auf allen Maßstabsebenen „Kontinuität“ vermitteln soll.

In diesem Sinne wird das städtebauliche Konzept des Campus als zentraler Parkraum interpretiert, der die vorhandene Topographie aufnehmen und das Bestandsgrün selbstverständlich einbinden kann. Über ein Hineinziehen des Freiraums in die vorgeschlagenen Erschließungen der Atrien der Neubauten und die Einführung einer angehobenen, grünen Dachterrassenebene im 2. OG kann das ursprüngliche Grünkonzept weiter ausgebaut und für zusätzliche Aneignung entwickelt werden.

Auf der architektonischen Ebene wird die charakteristische Struktur der Fassadengliederung des Bestands in Proportion und Plastizität zum Ausgangspunkt einer neuen Interpretation differenziert strukturierter, metallischer Fassaden, die in Verwandtschaft gelesen werden können.

Leider wird die Erschließung des großzügig aufgesetzten Freiraums durch die über den zentralen Vorplatz eingeordneten TG-Erschließungen gravierend belastet, Nutzungskonflikte im Bereich Kita, Sportstätten und der Wachen sind bereits angelegt, ebenso ist die Zufahrt in die Bestands-TG 1 nicht nachgewiesen und sämtliche Kurzzeitparker fehlen im Nachweis. Auch die Erschließung der erdgeschossig entlang der Wilhelm-Epstein-Straße angeordneten Fahrradparker ist nicht ausreichend geklärt; eine Entflechtung wäre dringend angezeigt.

Die für die Bürogebäude Ost und West vorgeschlagenen, großzügigen Erschließungen der Atrien führen zu Adressbildungen in der Tiefe und überlangen Wegebeziehungen für Alltagsabläufe im Austausch zwischen den Häusern und werden daher vom Nutzer kritisch gesehen.

Die in den 2. OGs angeordneten weitläufigen „Gartenterrassen“ verknüpfen sich weder mit besonderen Programmen der zugeordneten Geschossebene, noch wird eine angemessene Zugänglichkeit überhaupt nachgewiesen. Im Zusammenhang mit der großzügig umgebenden Parklandschaft wird insofern vom Nutzer auch hier die Angemessenheit in Frage gestellt.

Die Bürogebäude selbst sind ca. 22 m tief und als Standard-3-Bund prinzipiell nachvollziehbar nachgewiesen. Die Größenordnung der vorgeschlagenen Nutzungseinheiten ist realistisch und prinzipiell flexibel organisierbar.

Die Einordnung der Programme führt allerdings im Entwurf zu Dunkelbereichen in den Kernzonen der Riegel. Im Bereich der vertikalen Erschließung fehlen notwendige Zonierungen, um abgestufte Öffentlichkeiten zu differenzieren. Vorräume zu den Aufzügen müssten insgesamt nachgerüstet werden, die Fluchtwege im Erdgeschoss werden aber vollständig nachgewiesen.

Das Konferenzgebäude ist nicht eigenständig über die Wache zu erschließen, die geforderte Unterteilbarkeiten werden nicht dargestellt. Eine eigenständige Adressbildung und Erschließung des Bürogebäudes West werden vermisst.

Die Kita erzeugt mit 3 Geschossen Zwänge bei den internen Abläufen und drückt sich bauplastisch überdifferenziert aus. Die unterschiedlichen Angebote an Freiraum stellen aber interessante Möglichkeiten dar. Die Erschließungssituation ist allerdings zu sehr mit der allgemeinen TG-Zufahrt verflochten. Die Einsehbarkeit der TG-Zufahrt von der Wache ist gut gelöst.
Die Sportstätten sind mit Anordnung im 1.OG etwas ungewöhnlich, aber funktional möglich: Konflikte entstehen  auch hier auf der EG-Ebene, hinsichtlich Entflechtung der verschiedenen Erschließungen TG, Fahrradparken etc.

Die neuen Fassaden nehmen Proportionen und Teilmaße der Fassaden des Hauptgebäudes zum konkreten Ausgangspunkt einer neuen Konstruktionsentwicklung.
Über die Interpretation der historischen Fassade mit ihren tektonisch lastabtragenden, kräftigen Baugliedern in eine abgehängte Struktur leichter Stabwerke und die Umwandlung der ursprünglich horizontalen Brüstungsbänder in nun umlaufende Sturzbereiche entsteht ein verwandtes, dabei neues Bild von Architektur, das durchaus den Dialog zwischen Bestand und Weiterbau anregen kann.

In der technischen Umsetzung selbst artikuliert sich die Fassade aber als relativ klassische, wenig innovative Metallfassade, im Bildraum wird gleichzeitig eine Anmutung fast klassisch moderner, zeitloser Architektursprache behauptet.

Ob die vorgeschlagene Haltung bereits ausreichend spezifisch auf den Ort und seine Geschichte reagieren kann, eine neue Position dabei selbstbewusst genug zu setzen vermag oder nicht letztendlich austauschbar bleibt, wird im Zusammenhang mit den durchaus einladenden Raumbildern kontrovers diskutiert.